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Die Wasserleitung aus den Zeiten der Römer

Die Römerstadt Carnuntum besteht nicht nur aus dem bekannten archäologischen Park mit seinen vollständig rekonstruierten römischen Häusern. Auch abseits davon bietet Carnuntum noch zahlreiche Schätze von wissenschaftlich einmaligem Wert. Wie etwa eine Frischwasserleitung im Bereich der ehemaligen westlichen Vorstadt von Carnuntum.

Bei dieser Wasserleitung handelt es sich nicht um eine neuzeitliche Rekonstruktion oder Renovierung einer historischen römischen Wasserleitung. Hier handelt es sich um eine echte Wasserleitung aus römischer Zeit, die nach über 1.700 Jahren noch immer Frischwasser nach Carnuntum transportiert. Die Leistung der römischen Ingenieure und die Bedeutung für die Forschung kann hier gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.


Im vergangenen Winter kam es nun zu einem Einbruch in dieser noch intakten römischen Frischwasserleitung. Aus diesem Grund entschied sich die Gesellschaft der Freunde Carnuntums (GFC) und das Land Niederösterreich in Zusammenarbeit mit dem Bundesdenkmalamt und dem Grundbesitzer ein umfassendes Forschungsprojekt zu starten („Forschungsprojekt 'Wasserleitung Abensperg-Traun'“), das neben der Klärung wissenschaftlicher Fragestellungen auch die Erstellung eines Sanierungskonzepts zum Ziel hat.


Trotz mehrerer Untersuchungen seit den 1970er Jahren, geophysikalischer Messungen der letzten Jahre und kleiner feldarchäologischer Untersuchungen blieben der Ursprung der Leitung, die genaue Trassenführung des Hauptwasserkanals, Verzweigungen und Einmündungen kleinerer Leitungsstränge weitgehend unbekannt.


Die Leitung, die unterirdisch bis zu einer Tiefe von 6 m verlegt ist, besteht aus einem nahezu aufrecht begehbaren Wasserleitungskanal und ist mit giebelförmig aneinander gestellten Flachziegeln abgedeckt. Darüber ist ein etwa 30 cm starkes Gewölbe in römischer Zementbauweise aufgemauert. Im Leitungskanal wird das Wasser als offenes Gerinne über eine Sohle aus römischen Flachziegeln geführt. Nicht nur die Ausführung, vor allem ihre Langlebigkeit lässt einen staunend über die Fähigkeiten der römischen Baukunst zurück.


Eine bereits freigelegte schadhafte Stelle der Wasserleitung im Bereich des Tiergartens von Schloss Petronell konnte Ende 2019 überputzt und vollständig dokumentiert werden. An diesem Punkt trifft die originale römische Leitung auf einen vermutlich in der Barockzeit mit Ziegeln reparierten und mit großen Steinplatten abgedeckten Kanalabschnitt. Der römische Kanal war nahezu auf die gesamte Höhe mit Versturzmaterial und Sedimenten verfüllt. Um eine genaue Schadensdokumentation zu ermöglichen, wurde 2019 ein Kanalroboter über teils bereits in römischer Zeit angelegte Einstiegs- bzw. Revisionsschächte in die Leitung geschickt. Aufgrund der Verschlammungen konnte der Roboter sich jedoch kaum fortbewegen.


Aus diesem Grund wurden im Februar 2020 Höhlenforscher hinzugezogen, die die begehbaren Leitungsabschnitte auf einer Länge von etwa 100 Metern untersuchten. Aus dieser Begehung konnten neue Erkenntnisse zum Trassenverlauf des Hauptkanals nach Osten hin bis zu einem massiven Versturz innerhalb des Kanals gewonnen werden, sowie einer parallel verlaufende Nebenleitung entdeckt werden, die mit der Haupttrasse über ein rechtwinkliges Leitungssystem verbunden ist und sich kontinuierlich verjüngt. Versturz und Verengung verhinderten vorerst ein weiteres Vordringen der Höhlenforscher. Nächste Schritte sind die Datenauswertung, die Erstellung eines Schadenskatasters und eines Sanierungskonzepts. Wir halten Sie selbstverständlich über weitere Entwicklungen auf dem Laufenden.