Carnuntum in 3D: Archäologische Forschungen im digitalen Zeitalter
Ein Beitrag von Nisa Iduna Kirchengast - Redaktion: Daniel Kunc, Thomas MauerhoferDie archäologischen Forschungen in Carnuntum blicken auf eine lange und bedeutende Geschichte zurück – abgeschlossen sind sie jedoch keineswegs. Im Gegenteil: Durch den Einsatz innovativer Technologien und die enge Zusammenarbeit verschiedener Tätigkeitsbereiche eröffnen sich fortlaufend neue Perspektiven auf das antike Leben, die Infrastruktur und die militärische Organisation der einstigen römischen Metropole.
Aktuell wird in Carnuntum an einer Vielzahl von Projekten gearbeitet: So konnte etwa in der Stopfenreuther Au ein römisches Brückenkopfkastell mit modernsten Methoden dokumentiert werden – das erste dieser Art auf österreichischem Boden. Auch das Heidentor, Wahrzeichen Carnuntums und seit 2021 Teil des UNESCO-Welterbes, wurde im Rahmen der EU-Kampagne „Twin it!“ der Europeana dreidimensional dokumentiert.
Projektmitarbeiter Harald Wraunek der Universität für Weiterbildung Krems bei den photogrammetrischen Aufnahmen der Funde - © Land NÖ
Forschen für die Zukunft: Das CARe-Projekt
Diese aktuellen Forschungsprojekte erweitern unser Verständnis der römischen Geschichte nicht nur erheblich, sondern tragen auch dazu bei, dieses Wissen auf innovative und nachhaltige Weise zu bewahren und für zukünftige Generationen zugänglich zu machen. Dabei findet Forschung nicht nur im Grabungsschnitt statt: Auch bereits ergrabene Funde werden laufend weiter untersucht und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Ein besonders innovatives Vorhaben im Bereich der Carnuntum-Forschung ist das „Capturing Archaeological Reality“ (CARe)-Projekt finanziert durch den BMKÖS Call „Kulturerbe Digital“ (Laufzeit bis 2026). Seit 2024 werden im Rahmen des Projektes von den Mitarbeitern Harald Wraunek, Katarina Tökölyova und Martin Baer archäologische Objekte aus den Landessammlungen Niederösterreich digitalisiert – sowohl in Form von 2D-Bildern, als auch in Form hochauflösender 3D-Modelle. Ziel ist der Aufbau einer zukunftsfähigen digitalen Infrastruktur, die sowohl die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Objekten als auch deren öffentliche Zugänglichkeit fördert.
Genese eines 3D-Modells: Kamerapositionen beim Image-based modeling - © Land NÖ
Zentrales Werkzeug ist die Photogrammetrie: Mit Hilfe von Kameras werden Objekte aus verschiedenen Perspektiven aufgenommen und anschließend zu detailreichen digitalen Modellen zusammengesetzt.
Diese ermöglichen es, Funde ohne physischen Kontakt zu untersuchen und eröffnen zugleich neue Wege der Vermittlung – etwa durch interaktive Zugänge für ein breites Publikum. Laufend werden neue 3D-Modelle auf Sketchfab veröffentlicht, die auch über das eMuseum zugänglich sind.
Daten über Daten
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die internationale Vernetzung: Die digitalisierten Objekte werden mit anderen Sammlungen und Datenbanken verbunden, um interdisziplinäre Forschung zu stärken und die Funde in globale Kontexte einzuordnen. Alle Informationen zu den digitalisierten Funden werden in einer zentralen Datenbank gespeichert und mit Bildmaterial sowie 3D-Daten verknüpft.
Insgesamt werden im Projekt 800 Objekte digitalisiert – je zur Hälfte aus den Sammlungen der römischen Archäologie sowie aus der urgeschichtlichen und historischen Archäologie. Schon jetzt ist eine breite Vielfalt an Funden digital verfügbar – von Fibeln und Anhängern über Schlüssel und Appliken bis hin zu Statuetten und Werkzeugen.
Diese integrative Herangehensweise schafft Verbindungen zwischen Epochen und Fundgruppen und zeigt exemplarisch die Vielfalt der Landessammlungen. Das CARe-Projekt stellt somit einen bedeutenden Schritt in der Digitalisierung des kulturellen Erbes dar und dient als Modell für zukünftige Digitalisierungsprojekte weltweit.
Projektmitarbeiterin Katarina Tökölyova des Landes Niederösterreich bei der Eingabe der Fundinformationen in die Online-Datenbank - © Land NÖ
Alte Funde, neu entdeckt
Die im Rahmen von CARe digitalisierten Funde stammen aus den Landessammlungen Niederösterreich, welche eine der größten römerzeitlichen Sammlungen Österreichs umfasst. Mit über zwei Millionen Objekten – aus Grabungen, Schenkungen, den Sammlungen des „Verein Carnuntum“ sowie aus privaten Sammlungen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts – stellt es mit den archäologischen Funden aus Carnuntum eine zentrale Einrichtung der österreichischen Provinzialrömischen Archäologie dar.
Seit 2005 werden die Objekte auf einer Fläche von 4.700 m² in der Kulturfabrik Hainburg verwahrt, wissenschaftlich erschlossen und zunehmend digitalisiert – unter anderem durch systematisch angelegte 3D-Laserscans. Viele dieser Funde sind derzeit in der Ausstellung „Weltstadt am Donaulimes“ im Museum Carnuntinum zu sehen.
Kleinfunde-Depot in der Kulturfabrik Hainburg - © Land NÖ
Manipulation sichtbar gemacht: Ein gezinkter Würfel aus Carnuntum
Ein besonders interessantes Objekt, welches bereits im Zuge des CARe-Projektes digitalisiert wurden, ist ein gezinkter Würfel aus Bein, der aus dem Gardelager des Statthalters von Carnuntum stammt. Er zeigt zweimal die Zahl „Sechs“, während die „Eins“ fehlt – ein klarer Hinweis auf eine Manipulation. Dieser Würfel ist ein faszinierendes Zeugnis der römischen Spielkultur: Glücksspiel war im gesamten Imperium weit verbreitet.
Objekte wie dieser Würfel eignen sich besonders gut für 3D-Visualisierungen, da sich Form und etwaige Nutzungsspuren digital sehr anschaulich darstellen lassen.
3D-Modell des gezinkten Würfels auf Sketchfab und in der Bilddatenbank Landessammlungen Online
Forschen, vermitteln, bewahren
Die aktuellen Forschungsprojekte in Carnuntum bieten nicht nur neue Einblicke in das antike Leben, sondern zeigen auch, wie moderne Archäologie durch interdisziplinäre Zusammenarbeit und technologische Innovationen voranschreitet. Die Digitalisierung der Bestände und die interaktive Vermittlung schaffen neue Perspektiven für Forschung, Bildung und Öffentlichkeit – und sichern damit das kulturelle Erbe Carnuntums für kommende Generationen.
Weiterführende Links:
Landessammlungen Niederösterreich auf Sketchfab:
https://sketchfab.com/landessammlungen-noe
Link zum gezinkten Würfel:
https://sketchfab.com/3d-models/die-d825d9d7631e4da59e4e4172788680b5
Link zu Landessammlungen Online: