How I Met Your Mater – Die römische Familie
Ein Beitrag von Nisa Iduna Kirchengast - Redaktion: Daniel Kunc, Thomas MauerhoferBei römischen Bürgern war die Familie, lat. familia, weit mehr als nur ein Haushalt im modernen Sinne. Sie bildete eine hierarchisch organisierte Gemeinschaft, die unter der strikten Gewalt des Vaters, dem pater familias, stand: im Kern bestand sie aus Eltern und Kinder, weiters konnten jedoch auch Großeltern, Onkel, Tanten und entfernte Verwandte Teil der familia sein. In wohlhabenden Adelsfamilien, die über große Landgüter verfügten, konnte eine familia bis zu 100 Personen umfassen, unterteilt in eine familia urbana (die städtische Hausgemeinschaft) und eine familia rustica (die auf dem Land tätige Arbeitsgemeinschaft).
Die Eltern - pater und mater familias
Die Struktur war in der Antike klar geregelt und wurde durch soziale und gesetzliche Normen bestimmt. Das zentrale Element der römischen Familie war der pater familias: er hatte das Recht, über das Vermögen der Familie zu entscheiden oder Sklaven zu befreien. Diese umfangreichen Befugnisse wurde durch das römische Recht und die gesellschaftliche Norm gestützt, die den pater familias als unangefochtenes männliches Oberhaupt anerkannten.Im römischen Recht spielte die patria potestas eine zentrale Rolle, indem sie dem Vater die rechtliche Autorität über seine Kinder und Ehefrau verlieh. Im Gegensatz dazu bezeichnete auctoritas seine soziale und moralische Autorität, die sich aus Ansehen, Erfahrung und Einfluss in der Gesellschaft speiste, ohne dabei formale gesetzliche Macht zu besitzen.
Ein römisches Paar in spätantiker Gewandung beim Spätantikenfestival 2021 in Carnuntum - © A. Hofmarcher
Die Frau, die mater familias, hatte zwar Einfluss im Haushalt, jedoch war ihre Position stark durch patriarchalische Strukturen bestimmt. Ihr Alltag bestand vor allem aus der Führung des Haushalts und der Erziehung der Kinder. Frauen konnten kaum ohne Zustimmung des Vaters oder Ehemanns eigenständig rechtlich relevante Entscheidungen treffen, besonders bei finanziellen Angelegenheiten. Sie nahm jedoch eine aktive Rolle in gesellschaftlichen Angelegenheiten ein, die sie im Gegensatz zu griechischen Frauen auch bei Festen und Zusammenkünften einbrachte.
Die eheliche Beziehung selbst war, besonders in den oberen Gesellschaftsschichten, primär von praktischen Überlegungen geprägt. In der Oberschicht wurde die Ehe oft von den Vätern ausgehandelt, das Vorkommen einer romantischen Heirat war eher die Ausnahme. Die römische Ehe hatte vor allem das Ziel, legitime Nachkommen zu zeugen, um das Familienerbe fortzuführen. Scheidungen waren in der römischen Gesellschaft keineswegs unüblich, insbesondere wenn die Frau als unfruchtbar galt.
Eine römische Hochzeitszeremonie beim Spätantikenfestival 2021 in Carnuntum - © A. Hofmarcher
Die Kinder
Ein bedeutendes Merkmal der römischen Familie war auch die weitgehende Verfügungsgewalt des pater familias über die Kinder. Diese wuchsen unter der Autorität des Vaters auf, wobei die Söhne auch nach ihrer Hochzeit weiterhin unter seiner Kontrolle standen, bis dieser verstarb. In der Oberschicht gab es jedoch auch die Möglichkeit, einen eigenen Haushalt zu gründen, insbesondere für unverheiratete Söhne, die ab einem bestimmten Alter – meist mit 18 Jahren – ein selbstständiges Leben anstrebten, allerdings nur mit der ausdrücklichen Zustimmung des Vaters.
Töchter hingegen konnten entweder unter der patria potestas, der “väterlichen Gewalt”, des Vaters bleiben oder gingen in eine Ehe mit manus, bei der der Ehemann die vollständige Autorität über die Frau innehatte. Das Besondere an der Eheform mit manus (lateinisch für Hand) war, dass die Ehefrau aus der rechtlichen Gewalt ihres Vaters in die ihres Ehemannes überging – beziehungsweise in die ihres Schwiegervaters, falls der Ehemann noch unter der patria potestas stand.
Spielende Kinder auf der sogenannten Nordstraße in Carnuntum - © A. Achtsnit
Die Beziehung zwischen den Eltern und den Kindern war stark von der patriarchalischen Struktur geprägt. In den meisten Fällen mussten die Kinder ihrem Vater gehorchen und ihm in allen Lebensbereichen Respekt entgegenbringen. Dabei war die väterliche Gewalt nicht nur in Bezug auf die Familie, sondern auch in privatrechtlichen und moralischen Angelegenheiten allumfassend. Die Strenge des Vaters, der oft als eine Art moralische Instanz innerhalb der Familie galt, führte zu einem doppelten Bild der römischen Familie: Auf der einen Seite gab es die Idealisierung einer harmonischen, funktionierenden Familie, die als moralischer Rückhalt und Stütze der Gesellschaft galt. Auf der anderen Seite zeigten viele Quellen, dass die Realität oft weniger idyllisch war und von Härte, Gewalt und Spannungen geprägt war.
Emotionaler Zusammenhalt der Familie
Trotz des zunächst oft negativen Bildes der römischen Familie, das in vielen Quellen zu finden ist, lässt sich feststellen, dass sie auch als Kern gesellschaftlicher Stabilität diente. Zwar gab es viele Herausforderungen, darunter die hohe Kindersterblichkeit und der ständige Einfluss des Todes, der viele römische Familien zerrüttete, doch war das Bild der römischen Familie nicht nur von kühler Strenge geprägt.
In vielen Fällen war die Familie auch ein Ort der sozialen und emotionalen Unterstützung, in dem Mitglieder auch unter schwierigen Bedingungen zusammenhielten: Der Wert der familia als sozialen Kern wurde durch moralische und gesetzliche Normen geschützt, und die Unterstützung von Verwandten war von großer Bedeutung. Der Verlust eines Elternteils oder eines Kindes war ein schwerer Schlag für jede Familie, und die Trauer über solche Verluste war oft von öffentlichem und sozialem Interesse.
Römische Matronen auf den Straßen Carnuntums - © A. Achtsnit
Zeugnisse aus der Antike, insbesondere Grabinschriften und -reliefs, vermitteln einen tiefen Einblick in den emotionalen Zusammenhalt der Familie. Besonders eindrucksvoll ist etwa eine Grabstele aus dem 3. Jahrhundert, die im Legionslager von Carnuntum gefunden wurde. Sie dokumentiert die Trauer von Marcus Antonius Basilides, einem Mitglied der Militärpolizei, der sowohl seine Frau, Augustania Cassia Marcia, als auch seinen kleinen Sohn, Marcus Antonius Augustanius Philetus, beerdigen musste. Die Inschrift spiegelt den tiefen Schmerz des Vaters wider:
„Den Totengöttern! Für Augustania
Cassia Marcia, eine Ehefrau ohnegleichen,
die 34 Jahre, 11 Monate und
13 Tage lebte, die, während sie ihre
Aufgabe erfüllte und obwohl sie
Besseres vom Leben sich erhoffte,
gestorben ist, und für Marcus
Antonius Augustanius Philetus, den
völlig unschuldigen Sohn, der drei
Jahre, 8 Monate und 10 Tage lebte
und dem die ruchlosen Götter, dem
kleinen Kind, gegen das Gebet der
Eltern, das Leben raubten. Marcus
Antonius Basilides, frumentarius der
10. Legion Gemina, für seine Frau und
seinen Sohn, den Tugendhaftesten.
Du Natürliche (Kosewort für die Gattin)
und Du vom Himmel Geschenkter
(Kosewort für den Sohn): Euch soll
die Erde leicht sein!“
- Foto: © Landessammlungen NÖ, Archäologischer Park Carnuntum
Das Bildfeld der Stele zeigt ein Schiff mit dem Namen „Felix Itala – glückliches Italien“, das als Symbol für die Sehnsucht nach dem Vaterland und die Erinnerung an bessere Zeiten mit der Familie zu verstehen ist.
Die Familien der Soldaten
In der späten Republik und zu Beginn des Prinzipats war das Leben der römischen Soldaten stark von ihrer militärischen Tätigkeit geprägt. Viele Legionäre waren jedoch über Jahre hinweg an ein und demselben Ort stationiert, was dazu führte, dass sie feste Beziehungen eingingen. Diese Verhältnisse waren oft eheähnlich, und die Lebensgefährtinnen der Soldaten wurden legitimiert und erhielten das römische Bürgerrecht. Die Kinder dieser Verhältnisse wuchsen in den canabae legionis, den Siedlungen unmittelbar um die Legionslager, auf und wurden häufig selbst Legionäre.
Ein weiteres Beispiel aus Carnuntum ist aus dem militärischen Kontext der Grabstein von Titus Aurelius Silvanus, einem Veteran der 14. Legion. In seiner Inschrift erinnert er sich an seine Frau Aelia Iustina und seine drei kleinen Kinder, die er ebenfalls zu Grabe trug. Sie alle verstarben, während er als magister navaliorum tätig war. Oberhalb der Inschrift ist der Rest eines großen Reliefs zu sehen. Es zeigt in der Mitte die Beine eines Mannes und einer Frau, wahrscheinlich das Ehepaar Silvanus und Iustina. Links des Paares ist ein Mädchen, rechts davon ein Bub dargestellt, möglicherweise zwei Kinder oder zwei Diener.
„Titus Aurelius Silvanus, Veteran und ehemaliger magister navaliorum der 14. Legion Gemina, aus Hispania Tarraconensis stammend, 81 Jahre alt, hatte zu Lebzeiten sich und seiner überaus gehorsamen Frau Aelia Iustina und den Aurelii Maximiana, sieben Jahre alt, Marcus, fünf Jahre alt und Florus, fünf Jahre alt, seinen tugendhaftesten Kindern, (diesen Grabstein gesetzt).“
- Foto: © Landessammlungen NÖ, Archäologischer Park Carnuntum
Die Bedeutung der römischen Familie in der Gesellschaft
So bleibt die römische Familie eine facettenreiche Institution, die in ihrer Komplexität und ihrem Wandel über die Jahrhunderte hinweg ein Spiegelbild der sozialen und politischen Veränderungen der römischen Gesellschaft und ihrer Werte darstellt. Sie war durch Hierarchien und Rollenbilder geprägt, die sowohl das öffentliche als auch das private Leben durchzogen.
Diese sozialen Strukturen prägten die römische Welt bis weit in die Kaiserzeit hinein und finden sich auch in Kunstwerken und Denkmälern wieder, die das Bild der römischen Familie und ihrer Bedeutung in der Gesellschaft weitertrugen. Die bildlichen Darstellungen, von Familienreliefs bis hin zu kaiserlichen Porträts, gaben der Familie nicht nur eine visuelle Präsenz, sondern förderten auch die politische und soziale Legitimation des Staates. Die römische Familie war also mehr als nur eine private Einheit – sie war ein Instrument der gesellschaftlichen Ordnung, der wirtschaftlichen Stabilität und der politischen Repräsentation.
Römische Matrone beim Römerfest 2023 in Carnuntum - © A. Hofmarcher
Veranstaltungstipp
Am ersten Augustwochenende erwachen die Bewohner des antiken Stadtviertels erneut zum Leben: Unter dem Thema In den Wohnzimmern der Römer: Die römische Familie verkörpern Kulturvermittler der Römerstadt historische Bewohner des antiken Carnuntums und erzählen vom Familienleben in einer römischen Stadt.