Wissenschaft

Im Dienste der Götter – Private Kulte in Carnuntum

Ein Beitrag von Nisa Iduna Kirchengast - Redaktion: Daniel Kunc, Thomas Mauerhofer

Wenn wir an römische Religion denken, sehen wir große Tempel, prachtvolle Altäre und feierliche Prozessionen vor uns. Doch das religiöse Leben der Menschen spielte sich nicht nur im öffentlichen Raum ab. Auch im Privaten, im eigenen Haus, war Religion ein fester Bestandteil des Alltags – stiller, unscheinbarer, aber keineswegs weniger wichtig. In Städten wie Rom oder Carnuntum, wo Menschen aus vielen Teilen des Römischen Reiches zusammenlebten, entstand eine vielfältige und sehr persönliche Form religiöser Praxis: der römische Hauskult.

Alltäglicher Glaube und familiäre Rituale

Der Hauskult war eine Religion für jeden Tag. Anders als die großen Zeremonien der Staatsreligion, bei denen es um das Wohl des gesamten Reiches ging, drehte sich der Glaube im eigenen Heim um Familie, Haus und Besitz. Die wichtigsten Schutzgottheiten waren die Lares, die guten Geister des Hauses, die Penates, Wächter der Vorräte, und der Genius – eine Art persönliche Schutzkraft oder göttlicher Anteil des Hausherrn. Auch das Numen, die göttliche Präsenz in Mensch und Natur, konnte eine Rolle spielen.

Diese Gottheiten begleiteten die Familie durch den Alltag, bei kleinen und großen Anlässen: an Geburtstagen, Festtagen oder beim gemeinsamen Mahl. Die Rituale fanden meist am Lararium statt – einem kleinen Hausheiligtum, das sich gut sichtbar im Atrium, in der Küche oder im Garten befand. Hier wurden Gaben dargebracht, Lichter entzündet, Götterstatuetten aufgestellt und Gebete gesprochen – nicht selten im Beisein aller die im Haus lebten, auch Sklaven und Bedienstete. Besonders der pater familias, das Familienoberhaupt, übernahm in der Regel die Durchführung der Kulthandlungen.

© Römerstadt Carnuntum

Lararium im Haus des Lucius im Römischen Stadtviertel - © Römerstadt Carnuntum 

Bunte Götterwelt

Obwohl viele Römer ähnliche Schutzgötter verehrten, war die Ausgestaltung der Hausreligion sehr unterschiedlich. Besonders in einer multikulturellen Metropole wie Carnuntum zeigt sich diese Vielfalt besonders deutlich. Neben den üblichen Lares – häufig als tanzende Jünglinge mit wehendem Gewand dargestellt – finden sich in den Hausheiligtümern auch Figuren von Merkur, Fortuna, Minerva oder Venus. Oft wurden auch personifizierte Begriffe wie Victoria (Sieg) oder Amor (Liebe) verehrt. Die kleinen Lararien spiegelten diese religiöse Pluralität: Sie vereinten die Schutzgötter des Hauses mit persönlichen Lieblingsgottheiten oder regionalen Traditionen. Manche Götterfiguren wurden vermutlich auch wie Amulette mitgeführt – eine Art tragbarer Schutz im Alltag.

    Statuetten eines Genius, Lar und Amor - © NÖ Landessammlungen 

    Rituale, Opfer und Alltagsfrömmigkeit

    Ein zentraler Bestandteil des Hauskults war die regelmäßige Opferpraxis. Um das Wohlwollen der Götter – insbesondere der Ahnengeister – zu sichern, brachte man ihnen Speisen, Blumen oder Getränke dar. Die Gaben wurden direkt im Lararium auf kleinen Altärtischen oder Miniaturaltären abgelegt. Zu den typischen Opfergaben zählten Früchte, Brot, Kuchen, Wein, Milch sowie duftende Öle. Fleisch  war an besonderen Festtagen ein beliebtes Opfer. Auch Kränze, Blüten und Girlanden dienten als Schmuck und rituelle Gabe. Der Anlass bestimmte dabei Art und Umfang der Gaben. Festtage wurden mit weiteren Zuwendungen und besonderem Schmuck der Heiligtümer begangen – man stellte Öllämpchen auf, hängte Kränze auf oder opferte kostbare Zutaten.

    © Römerstadt Carnuntum

    Lararium in der Villa Urbana im Römischen Stadtviertel - © Römerstadt Carnuntum 

    Der Ahnenkult – Erinnerung und Schutz

    Eine besondere Rolle im Hauskult spielte der Ahnenkult. Die Lares familiares wurden nicht nur als Schutzgeister des Hauses verehrt, sondern auch als Verkörperung der verstorbenen Vorfahren. Sie wachten über das Wohl der Familie, aller Angehörigen, Bediensteten und des Hauses selbst. Mit täglichen Gaben, Festtagsopfern und der Bewahrung ihrer Bildnisse (imagines maiorum) blieb die Verbindung zu den Ahnen lebendig. Das Andenken an die Vorfahren war nicht nur emotional bedeutend, sondern auch eine religiöse Pflicht des pater familias. Der Ahnenkult gab der Familie Orientierung und festigte die eigene Herkunft im Rahmen des Hauses.

    © Römerstadt Carnuntum

    Räucheropfer durch den pater familias - © Römerstadt Carnuntum 

    Magie, Amulette und Volksglauben

    Neben den offiziellen Göttern und rituellen Vorschriften war in der privaten Frömmigkeit auch Platz für emotionale und individuelle Bedürfnisse. In vielen Häusern fanden sich Amulette und Talismane, mit denen man sich gegen das Böse schützen wollte – gegen Krankheit, Unglück oder Neid. Kleine Figuren, Schmuckstücke oder magisch belegte Objekte sollten Schutz und Glück bringen. In Carnuntum entdeckte man zahlreiche Bleivotive – kleine Figuren mit Inschriften oder Symbolen –, die vermutlich in Hausheiligtümern oder kleinen Gärten deponiert wurden. Diese Objekte zeigen deutlich, wie eng persönliche Sorgen und religiöse Praxis verbunden waren. Oft verband sich hier offizieller Kult mit Volksglauben, der vom Wunsch nach Heil, Schutz und Sicherheit geprägt war.

       Bleivotive und Vogelkrallen-Amulett - © NÖ Landessammlungen 

      Das Haus als religiöser Raum

      Der römische Hauskult war nicht auf einen einzigen Ort beschränkt. Lararien konnten im Atrium, an der Herdstelle, im Peristyl oder im Garten eingerichtet sein. Auch an Grundstücksgrenzen oder in Nebengebäuden wie Höfen und Werkstätten lassen sich kleine Kultplätze nachweisen – etwa mit Opfergruben, Altären oder Weiheinschriften. Selbst in einfachen Wohnhäusern fanden sich Hinweise auf private Heiligtümer: bemalte Nischen, Ädikulen oder einfache Altärtische mit Opferresten.

      Ein Beispiel aus Carnuntum zeigt dies besonders schön: In der Gartenanlage des sogenannten „Haus des Lucius“ wurden fünf Tonlämpchen und ein Weihealtar für die Nymphen gefunden – vermutlich Teil eines kleinen Gartennymphäums. Die Lämpchen trugen Spuren wiederholter Verwendung und lassen vermuten, dass hier über längere Zeit hinweg rituelle Handlungen stattfanden.

      © Römerstadt Carnuntum

      Wohnzimmer im Haus des Lucius - © Römerstadt Carnuntum 

      Der römische Hauskult war weit mehr als ein beiläufiges Ritual. Er war Ausdruck persönlicher Hoffnung, familiärer Erinnerung und sozialer Zugehörigkeit. In der vertrauten Umgebung des Hauses wurde Religion greifbar, lebendig und alltagsnah. Opfer, Gaben, Gebete und magische Praktiken verbanden sich zu einem dichten Netz religiöser Handlungen, das das tägliche Leben durchzog. Besonders in Städten wie Carnuntum, wo viele religiöse Traditionen aufeinandertreffen konnten, wurde der Hauskult zu einem Ort kultureller Vielfalt und religiöser Kreativität – ein stiller, aber kraftvoller Begleiter im Leben der römischen Familie.

      Veranstaltungstipp:

      Am 7. und 8. Juni kann man den Carnuntinern in ihren Wohnzimmern bei Kultpraktiken über die Schulter sehen: Tauchen Sie in die faszinierende Welt des antiken Carnuntums ein und entdecken Sie das Alltagsleben im Römischen Stadtviertel – ein Erlebnis für alle Römerbegeisterten!

      © Römerstadt Carnuntum
      • Da JavaScript dekativiert ist, werden einige Inhalte nicht geladen.
      • Da dein Browser nicht supportet wird, werden einige Inhalte nicht geladen.
      • Auf Grund von zu geringer Bandbreite werden einige Inhalte nicht geladen.
      • Auf Grund von zu schwacher Hardware werden einige Inhalte nicht geladen.