Wissenschaft

Lucrum gaudium – Carnuntum als antikes Handelszentrum

Ein Beitrag von Nisa Iduna Kirchengast - Redaktion: Daniel Kunc, Thomas Mauerhofer, Anna-Maria Grohs

Lucrum gaudium – Gewinn macht Freude: Dieser aus Pompeji überlieferte Spruch bringt die Essenz des römischen Handelsverständnisses präzise auf den Punkt. Der Handel war im Imperium Romanum nicht bloß wirtschaftliche Notwendigkeit, sondern Ausdruck von Mobilität, Innovation und gesellschaftlichem Aufstieg. In Carnuntum, einem der bedeutendsten Verkehrsknotenpunkte am Donaulimes, wird diese Rolle besonders greifbar: Hier verband sich lokale landwirtschaftliche Produktion mit internationalem Fernhandel, militärische Nachfrage mit städtischem Luxus, alltäglicher Bedarf mit weit gespannten Handelsnetzwerken.

Römerin verkauft Textilien in einem Hauseingang
© Thomas Mauerhofer

Verkauf von Textilwaren bei der Zeitreise Carnuntum 2024 - © T. Mauerhofer

Das Imperium Romanum als Marktplatz

Handel und Expansion gingen im Römischen Reich Hand in Hand. Mit der militärischen Präsenz Roms kam die logistische Herausforderung der Versorgung – und damit der Markt. Händler (lat. mercatores, negotiatores) und Handelsverbände, sogenannte collegia negotiantium, sicherten den Nachschub, besonders für die stationierten Truppen. Eine Legion benötigte rund eine Tonne Getreide pro Tag – das war nur durch ein funktionierendes Versorgungssystem zu bewältigen.

Händler trugen das volle unternehmerische Risiko: Sie investierten Eigenkapital, nutzten Freigelassene oder Sklaven als Vertrauenspersonen und navigierten durch ein komplexes System aus Vorschriften, Steuern und Zöllen. Carnuntum lag im Zollbezirk des publicum portorii Illyrici mit Sitz in Poetovio (dem heutigen Ptuj in Slowenien), wo ein einheitlicher Zolltarif von etwa 2,5% auf den Warenwert erhoben wurde.

    Statuette des Merkur (Inv.-Nr. CAR-M-3306), Mosaik mit Merkur und Fortuna (Inv.-Nr. CAR-S-1849) und Statuette des Merkur (Inv.-Nr. CAR-M-3309) - © Landessammlungen NÖ

    Als Schutzpatron des Handels war Merkur – Gott des Handels, der Reisenden und der Diebe – in Carnuntum sehr beliebt. Bronzefiguren zeigen ihn mit Flügelhut, marsupium (Geldbeutel) und kerykeion (Schlangenstab). Händler verehrten ihn als Garant für wirtschaftlichen Erfolg.

    Infrastruktur

    Carnuntums Bedeutung beruhte maßgeblich auf seiner Lage: Die Stadt lag am Schnittpunkt der Limesstraße, der Bernsteinstraße und der pannonischen Heeresstraße. Diese durch das Militär erbauten Fernstraßen waren nicht nur Transportachsen, sondern manifestierten imperiale Ordnung und Kontrolle. Amphoren mit Öl aus Baetica, Wein aus Gallien oder Fischsaucen aus Hispanien gelangten auf diesen Wegen in die Stadt und von dort weiter in das Hinterland.

    Auch die Flussschifffahrt auf der Donau spielte eine wichtige Rolle. Meilensteine, Raststationen (mansiones), die kaiserliche Post (cursus publicus) und Beneficiarii zur Kontrolle – all dies bildete ein fein abgestimmtes Netz der Mobilität. Die berühmte Tabula Peutingeriana, ein spätantikes Straßen- und Stationenverzeichnis, dokumentiert diese Struktur – mit Carnuntum als prominenter Station.

    Kartenausschnitt der Tabula Peutingeriana, einer antiken Straßenkarte
    © Wikimedia Commons

    Ausschnitt der Tabula Peutingeriana mit der Limesstraße und Carnuntum - © Wikimedia Commons 

    Fernhandel

    Neben der Grundversorgung war Carnuntum auch Umschlagplatz für hochwertige Importwaren. Olivenöl, Wein, Oliven, Datteln, Feigen, Fischsaucen – all diese Güter gelangten in eigens produzierten Amphoren aus dem Mittelmeerraum in die Stadt. Inschriften, Stempel und Pinselaufschriften (tituli picti) geben Aufschluss über Herkunft, Inhalt und Empfänger. Ein besonderes Beispiel für zugewanderte Händler selbst ist Marcus Mulvius aus Iudaea, dessen Name auf einem Grabstein und einer Amphore aus Carnuntum belegt ist. Er könnte im Zuge der Verlegungen der legio XV Apollinaris nach dem Jüdischen Krieg an die Donau gekommen sein – ein Beleg für die große Mobilität im Reich: 

    [M.?] Mulviu[s - - -] / [- - -] domo Iudaeus an[norum - - -] / [- - - ne]gotians h(ic) s(itus) e(st) M(arcus) Mul[vius - - -] / [- - -]s et M(arcus) Mulvius Ama[- - -] / [- - -]stus e[t M(arcus)?] Mulvius Pro[- - -] / [- - -]s M[- - -] M(arcus) Mulviu[s - - -] / - - - - - -
    „Marcus? Mulvius … … aus Iudaea (?), … Jahre alt, Händler, liegt hier begraben. Marcus Mulvius … … und Marcus Mulvius Ama… …stus und Marcus Mulvius Pro… …s M… Marcus Mulvius … …“
    Grabstele des Mulvius, Stein mit Inschrift
    © Landessammlungen NÖ

    Grabinschrift des Mulvius - © Landessammlungen NÖ, Foto: Ortolf Harl 2011

    Feines Tafelgeschirr (vor allem Terra Sigillata) stammte zunächst aus Italien, dann aus südgallischen Zentren wie La Graufesenque und Banassac, später aus mittelgallischen und rheinischen Werkstätten. Römische Tischkultur war auch im pannonischen Carnuntum ein sichtbarer Ausdruck von Wohlstand und Lebensart.

    Regionale Versorgung und Agrarproduktion

    Doch kein Fernhandel funktioniert ohne landwirtschaftliches Fundament. Im Umland Carnuntums produzierten Landgüter, sogenannte villae rusticae, für den Eigenbedarf und den Markt. Angebaut wurden Emmer, Gerste, Hirse und Hafer sowie Hülsenfrüchte und eine Vielzahl an Gemüse- und Obstsorten. Die Viehwirtschaft ergänzte das agrarische Spektrum: Rinder, Schweine, Schafe, Ziegen, Esel und Hühner dienten der Ernährung wie der Transportlogistik.

    Die Produkte wurden in die Stadt transportiert und dort auf Märkten oder direkt an tabernae, kleinen Ladenlokalen mit Verkaufstheken zur Straße hin, verkauft. In Carnuntum selbst war der Handel allgegenwärtig. Tabernae prägten das Stadtbild ebenso wie Marktstände am Forum. Die Versorgung erfolgte durch lokale Produzenten ebenso wie durch spezialisierte Händler. Verkauf, Lagerung und Weiterverarbeitung fanden in unmittelbarer Nähe statt – wie etwa im rekonstruierten „Haus des Ölhändlers“, das auf eindrucksvolle Weise die ökonomische Bedeutung von Olivenöl in der Antike veranschaulicht.

    Das Haus des Ölhändlers, Amphoren stehen im Regal
    © Thomas Mauerhofer

    Transportamphoren im Haus des Ölhändlers in Carnuntum - © T. Mauerhofer 

    Carnuntum als Knotenpunkt der römischen Wirtschaft

    Carnuntum war mehr als ein Außenposten am Limes: Es war eine ökonomische Schaltzentrale, ein Ort, an dem Produktion, Handel und Konsum in ein funktionierendes System eingebettet waren. Die Stadt vereinte regionale Landwirtschaft mit internationalem Fernhandel und militärischen Bedarf mit zivilem Luxus. In den Wohnzimmern der Römer Carnuntums spiegelte sich damit auch die große Welt des Imperium Romanum wider.

    Das Römische Stadtviertel im Herbst, herabfallende Blätter vor der Therme
    © Thomas Mauerhofer

    Veranstaltungstipp: Am 25. und 26. Oktober öffnet die Römerstadt Carnuntum ihre Türen zu einem ganz besonderen Erlebniswochenende: Bei In den Wohnzimmern der Römer begegnen Sie im Römischen Stadtviertel den Bewohnerinnen und Bewohnern Carnuntums von vor 1.700 Jahren – dargestellt von KulturvermittlerInnen und Reenactors, die authentisch aus dem Leben der römischen Familien, Handwerkern und Händlern erzählen. 

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