Wissenschaft

Morituri te salutant – Gladiatorenkämpfe im antiken Carnuntum

Ein Beitrag von Nisa Iduna Kirchengast - Redaktion: Daniel Kunc, Thomas Mauerhofer

Kaum ein anderer Aspekt der römischen Kultur übt bis heute eine solche Faszination aus wie die Gladiatorenspiele. Was einst im Kontext religiöser Rituale und politischer Inszenierungen entstand, entwickelte sich zu einem Massenspektakel – einem Schauspiel bestehend aus Blut, Disziplin, Ruhm und imperialer Propaganda. Besonders in Carnuntum eröffnen archäologische Funde, Inschriften und bauliche Überreste faszinierende Einblicke in die römische Unterhaltungswelt.

Ursprung und Wandel einer römischen Institution

Die Gladiatorenspiele (munera gladiatoria) gingen ursprünglich aus rituellen Totenehrungen der römischen Oberschicht hervor. Der erste dokumentierte Kampf fand 264 v. Chr. auf dem Forum Boarium in Rom statt. Rasch entwickelte sich daraus eine populäre Unterhaltungsform, die sich weit über die Hauptstadt hinaus verbreitete. Immer häufiger wurden die Spiele von privaten Stiftern oder städtischen Beamten organisiert und finanziert.

Der imperiale Festkalender wuchs kontinuierlich: Für das Jahr 354 n. Chr. sind in Rom 175 Feiertage überliefert – darunter 10 für Gladiatorenkämpfe und Tierhetzen. Schriftlichen Quellen zufolge ließ etwa Kaiser Traian als Ausdruck imperialer Macht während seiner Triumphfeiern über die Daker mehr als 11.000 Tiere und unzählige Menschen im Amphitheater töten.

© Thomas Mauerhofer (Römerstadt Carnuntum)

Das Amphitheater der Militärstadt © Römerstadt Carnuntum 

Carnuntum: Arena am Rand des Imperiums

Auch in Carnuntum fanden regelmäßig sogenannte spectacula statt. Zwei erhaltene Amphitheater – ein Drittes ist heute nicht mehr sichtbar – belegen die lokale Begeisterung für Gladiatorenkämpfe. Vor jedem Kampf war es im damaligen Glauben von entscheidender Bedeutung, die Gunst der Götter zu erlangen: Im Amphitheater der Militärstadt wurde nahe dem Westtor ein Kultraum für die Göttin Nemesis freigelegt. Diese synkretistische Schutzgöttin der Gladiatoren, zugleich zuständig für Gerechtigkeit, Schicksal und Sieg, wurde hier besonders von Offizieren der XIV. Legion verehrt. Ihre Präsenz in Arenen ist auch aus anderen Provinzorten wie Aquincum (dem heutigen Budapest) oder Scarbantia (dem heutigen Sopron) belegt.

© Thomas Mauerhofer (Römerstadt Carnuntum)

Tierhetzen – das Vormittagsprogramm

Die Vormittage der Spiele gehörten den venationes – den Tierhetzen. Während in Rom exotische Tiere wie Elefanten, Krokodile oder Nashörner zur Schau gestellt wurden, setzte man in Carnuntum meist auf einheimische Fauna. Knochenfunde belegen die Hetze von Braunbären, Wildschweinen, Hirschen und möglicherweise Wölfen. Gelegentlich fanden jedoch auch Exoten den Weg in die Arena: So bezeugen Knochenfunde ein Kamel und eine Großkatze – vermutlich ein Leopard – in der Lagerstadt.

Diese Tiere waren weit mehr als exotische Schaustücke: Sie symbolisierten die Beherrschung des „Fremden“, ein lebendiger Ausdruck römischer Überlegenheit. Auch andernorts war der Einsatz von Tieren integraler Bestandteil der Arenakultur – wie ein spektakulärer Fund aus dem englischen York zeigt: Dort wurde ein Beckenknochen mit Bissspuren einer Raubkatze entdeckt – der erste materielle Nachweis für den Einsatz solcher Tiere im Arenakampf. Offenbar wurde das Opfer bereits am Boden liegend attackiert. 

© Maisblau

Gladiatorenkampf zwischen thraex und murmillo - so wird übrigens auch beim Gladiatorentag in Carnuntum, am 25. Mai 2025 gekämpft. © Römerstadt Carnuntum 

Gladiatoren: Disziplin, Gefahr und Ruhm

Gladiatoren waren nicht zwangsläufig dem Tod geweiht. Der berühmte Ruf „Ave Caesar, morituri te salutant“ ist nur einmal historisch belegt – bei einer Seeschlacht (den sogenannten naumachia) unter Claudius. Viele Kämpfer, oft Kriegsgefangene, Sklaven oder zum Tode Verurteilte, wurden in Gladiatorenschulen (ludi gladiatorii) professionell ausgebildet. Manche meldeten sich jedoch auch freiwillig – die sogenannten auctorati –, angelockt von Ruhm, Abenteuern und finanzieller Entlohnung. Das Training der Gladiatoren erfolgte zunächst unter der Aufsicht erfahrener, oft ehemaliger Kämpfer mit hölzernen Übungswaffen, die schwerer als ihre metallenen Gegenstücke waren, um Ausdauer und Technik gefahrlos zu schulen.

Ein Gladiator konnte zwar zahlreiche Kämpfe überleben – einzelne Quellen sprechen von bis zu 150 - ,doch die Gefahr war real: Bioarchäologische Untersuchungen aus dem Gladiatorengrab von Ephesos zeigen, dass mehr als die Hälfte der Bestatteten an direkten Kampfwunden starben. Schädel mit Dreizackverletzungen, Halsstiche und durchbohrte Wirbel dokumentieren die Brutalität der Kämpfe. Gleichzeitig gab es medizinische Versorgung – etwa durch den berühmten Arzt Galenos, der zeitweise als Gladiatorenarzt in Pergamon und Rom tätig war.

Gladiatorentypen

Gekämpft wurde nach festen Regeln in unterschiedlichen Kombinationen, stets unter der Aufsicht des lanista, dem “Manager”, Besitzer und Trainer der Gladiatoren. Besonders beliebt war die Paarung Murmillo gegen Thraex oder Retiarius – mit Netz und Dreizack – gegen den schwer gepanzerten Secutor. Dank archäologischer Funde genauso wie durch schriftliche und bildliche Quellen kann die Ausstattung und das Aussehen dieser Gladiatorentypen rekosntruiert werden: 

© Thomas Mauerhofer

Murmillo: Der murmillo war ein schwer bewaffneter Gladiator, dessen Name sich von einem Seefisch („murma“) ableitet. Charakteristisch war seine Ausrüstung: ein Kurzschwert (gladius), ein großer rechteckiger Schild (scutum), ein Helm mit Visiergitter, hohem Kamm und Federschmuck, sowie ein Armschutz (manica) und eine Beinschiene (ocrea). Besonders bekannt ist das wabenartig durchbrochene Visiergitter seines Helms. Die Konfrontation mit dem thraex gehörte zu den beliebtesten Gladiatorenkämpfen.

© Thomas Mauerhofer (Römerstadt Carnuntum)

Thraex: Der thraex („Thraker“) gehörte zu den leichter bewaffneten Gladiatorentypen und war für seine wendige Kampftechnik bekannt. Er trug einen Lendenschurz (subligaculum) mit Gürtel, eine Armschiene (manica) am rechten Arm sowie eine hohe Beinschiene (ocrea) am linken Bein. Auffällig war sein großer Helm mit ausgeprägtem Visier und hohem, geschwungenem Federkamm. Bewaffnet war der thraex mit einer kurzen, gebogenen Klinge – der sica –, mit der er gezielt hinter den Schild seines Gegners stoßen konnte. 

© Maisblau

Retiarius: Der retiarius war ein leicht bewaffneter Gladiator, dessen Ausrüstung stark an das Fischereihandwerk erinnerte. Bewaffnet mit einem fuscina (Dreizack), einem rete (Wurfnetz) und einem pugio (Kurzschwert), war er auf Schnelligkeit und Beweglichkeit angewiesen. Der Dreizack diente nicht nur zur Distanzkontrolle, sondern konnte auch tödliche Verletzungen verursachen. Der retiarius trug in der Regel keinen Helm, dafür aber einen Armschutz und gelegentlich einen Schulterpanzer (galerus).

© (c) Maisblau

Secutor: Der secutor („Verfolger“) war ein schwer gerüsteter Gegner des retiarius. Wie der retiarius trug er einen Lendenschurz (subligaculum) und einen breiten Gürtel, doch im Unterschied zu seinem leichten Gegner war sein rechter Arm mit einer Armschiene geschützt. Um sich gegen Angriffe mit dem Dreizack zu verteidigen, trug er an seinem linken Bein eine ocrea (Beinschiene). Ausgestattet war der secutor zudem mit einem gebogenen rechteckigen Schild (scutum) und einem Kurzschwert (gladius). Sein markantestes Kennzeichen jedoch war der glatte, eng anliegende Helm mit kleinen Augenlöchern, der speziell dafür entworfen war, sich nicht im Netz des retiarius zu verfangen – und ihn auf den ersten Blick als secutor erkennen ließ.

Im Amphitheater von Carnuntum kamen auch archäologische Funde wie das Visiergitter eines Murmillo-Helms oder die Zinken eines Dreizacks zutage – stille Zeugen blutiger Auseinandersetzungen. Weibliche Gladiatorinnen sind zwar selten belegt, ihre Existenz ist jedoch durch literarische Quellen (z. B. Tacitus, Cassius Dio, Sueton, Juvenal) und vereinzelte archäologische Funde belegt. 

    Archäologische Funde aus Carnuntum: eine Bildlampe mit Darstellung eines Gladiators, Statuette eines Gladiators, Dreizack und Visiergitter © Landessammlungen NÖ, Archäologischer Park Carnuntum

    Propaganda der Macht – Spiegel der Gesellschaft

    Die Spiele dienten nicht allein der Unterhaltung, sondern waren ein machtpolitisches Instrument. Wer munera ausrichtete, steigerte sein gesellschaftliches Ansehen. Selbst Philosophen wie Cicero oder Seneca lobten gelegentlich den Mut der Gladiatoren – und kritisierten zugleich die enthemmte Grausamkeit der Zuschauer. 

    Quae potest homini esse polito delectatio, cum aut homo imbecillus a valentissima bestia laniatur aut praeclara bestia venabulo transverberatur? Quae tamen, si videnda sunt, saepe vidisti; neque nos, qui haec spectamus, quicquam novi vidimus.

    “Welche Unterhaltung kann es für einen gebildeten Menschen sein, wenn entweder ein schwacher Mensch von einem sehr starken wilden Tier zerfleischt oder ein herrliches Tier von einem Jagdspieß durchbohrt wird? Und dennoch hast du dies, wenn es gesehen werden muss, oft gesehen; und wir, die wir dies betrachten, haben nichts Neues gesehen.”

    Cicero, Ad familiares VII 1,3

    Auch Hinrichtungen und Christenverfolgungen fanden in der Arena statt: Unter Marc Aurel etwa wurden Verurteilte den Tieren überlassen (ad bestias). Die Arena war somit nicht nur Ort der Unterhaltung, sondern auch Bühne für politischer Macht, Justiz, Ideologie und gesellschaftliche Repräsentation.

    Veranstaltungstipp:

    Erleben Sie am 25. Mai 2025 beim Gladiatorentag authentische Gladiatorenkämpfe im Amphitheater, tauchen Sie in die faszinierende Welt der antiken Wettkämpfe ein und lassen Sie sich an der neuen Fotostation selbst als Gladiator ablichten – ein spektakuläres Event für Römerbegeisterten!

    © Thomas Mauerhofer (Römerstadt Carnuntum)

    Heute bevölkern andere Tiere, wie etwa das scheue Ziesel, die Ruinen der Arenen Carnuntums © Römerstadt Carnuntum 

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