Wissenschaft

Politik und Glaubenswelt der Spätantike – 1700 Jahre Konzil von Nicäa

Ein Beitrag von Nisa Iduna Kirchengast - Redaktion: Daniel Kunc, Thomas Mauerhofer

Im Jahr 325 nach Chr. versammelten sich Hunderte von Bischöfen aus dem gesamten Römischen Reich in der Stadt Nicäa, heute İznik in der Türkei. Eingeladen hatte sie Kaiser Konstantin – aus einem einfachen, aber brisanten Grund: In der jungen christlichen Kirche war ein heftiger Streit ausgebrochen, der die Einheit der Gläubigen und damit auch die Stabilität des Reiches gefährdete. Es ging um nichts Geringeres als die Frage, wer Jesus Christus eigentlich war – und wie er sich zu Gott verhielt. Das Erste Konzil von Nicäa war der Versuch, diesen Streit zu lösen. Es war das erste große Treffen seiner Art und ein Wendepunkt: Das Christentum machte damit einen großen Schritt in Richtung Staatsreligion – eine Entwicklung, die nicht nur die Kirche, sondern auch das Römische Reich grundlegend verändern sollte.

2025 jährt sich dieses Ereignis zum 1700. Mal. Ein guter Anlass, daran zu erinnern – die Römerstadt Carnuntum tut dies mit einer neuen Sonderausstellung im Museum Carnuntinum. Denn nur wenige Jahre zuvor, im Jahr 308, war Carnuntum selbst Schauplatz der sogenannten Kaiserkonferenz – und damit einer wichtigen politischen Entscheidung. Was damals in der Metropole an der Donau beschlossen wurde, bereitete den Boden für Konstantins späteren Aufstieg – und damit auch für das Konzil von Nicäa.

© Atelier Olschinsky

Eine Zeit der Krisen und Entscheidungen: Die Kaiserkonferenz

Im 3. Jahrhundert nach Christus geriet das Römische Reich immer stärker unter Druck. Kaiser kamen und gingen, innere Machtkämpfe und äußere Bedrohungen setzten dem einst so mächtigen Imperium zu. Um das Reich zu stabilisieren, führte Kaiser Diokletian ein neues Regierungssystem ein: die sogenannte Tetrarchie – eine Viererherrschaft mit zwei ranghöchsten Kaisern (Augusti) und zwei Stellvertretern (Caesares). Ziel war es, die Aufgaben besser zu verteilen und die Grenzen besser zu schützen – besonders in den Provinzen wie Pannonien, wo auch Carnuntum lag.

Doch auch dieses System hielt nicht lange. Nach Diokletians Rücktritt brachen erneut Machtkämpfe aus. Im Jahr 308 trafen sich deshalb drei Kaiser – Diokletian, Galerius und Maximian – in Carnuntum, um bei der sogenannten Kaiserkonferenz über die Zukunft des Reiches zu beraten. Zwar konnten sie keine dauerhafte Lösung finden, aber das Treffen war ein wichtiger Schritt: Es öffnete den Weg für einen jungen Mann namens Konstantin, der in den kommenden Jahren zum mächtigsten Mann des Reiches aufsteigen sollte.

Detailansicht des ausgestellten römischen Helms.
© Wolfgang Artner

Ein spätrömischer Kammhelm - © W. Artner 

Konstantin – Ein Kaiser verändert die römische Glaubenswelt

Konstantin setzte sich nach vielen Jahren der Kämpfe gegen seine Rivalen durch. 324 wurde er Alleinherrscher des Römischen Reiches. Von Anfang an verfolgte er eine neue Politik: Statt das Christentum weiter zu bekämpfen – wie seine Vorgänger es getan hatten –, stellte er es unter Schutz. Schon mit dem Toleranzedikt von Mailand im Jahr 313 hatte er die Christenverfolgung beendet. Doch jetzt ging er noch einen Schritt weiter: Er wollte das Christentum zur einigenden Kraft im Reich machen.

Doch in der Kirche selbst herrschte keine Einigkeit. Vor allem der Priester Arius aus Alexandria sorgte mit seiner Lehre für Aufsehen. Er war der Ansicht, Jesus Christus sei nicht gleichrangig mit Gott Vater, sondern diesem untergeordnet. Andere Kirchenvertreter sahen das anders. Der Streit spitzte sich zu – und drohte, das gesamte Christentum zu spalten.

Foto der Ausstellungsvitrine mit der Spitze einer römischen Lanze.
© Wolfgang Artner

Lanzenspitze mit Bandeinlagen - © W. Artner 

Das Konzil – Glaubensfragen mit politischer Sprengkraft

Um diesen Konflikt zu beenden, rief Kaiser Konstantin nach nur einem Jahr nach seinem endgültigen Machtantritt das Konzil von Nicäa ein. Er lud Bischöfe aus dem ganzen Reich ein – von Spanien bis Syrien, von denen etwa 300 kamen. Sie diskutierten wochenlang. Am Ende einigte man sich auf ein gemeinsames Glaubensbekenntnis: Jesus Christus sei „wesensgleich“ mit Gott Vater – also wahrer Gott und wahrer Mensch zugleich. Die Lehren des Arius wurden als Irrlehre verurteilt.

Das war ein historischer Moment. Zum ersten Mal legte ein Konzil verbindlich fest, was die Kirche glaubt – und es war der Kaiser, der es ermöglicht und politisch unterstützt hatte. Damit wurde das Christentum zu einer Staatsangelegenheit – und der Kaiser zum obersten Schirmherrn der Kirche.

Das Heidentor in Petronell-Carnuntum
© Römerstadt Carnuntum

Carnuntum – Ort der Entscheidungen

Was hat das alles mit Carnuntum zu tun? Sehr viel. Denn hier trafen sich 17 Jahre vor dem Konzil die Kaiser, um die politische Ordnung zu retten. Ohne die Kaiserkonferenz von 308 wäre Konstantins Aufstieg kaum möglich gewesen. In Carnuntum wurde über die Nachfolge Diokletians entschieden – mit Folgen für das ganze Reich. Auch wenn Carnuntum nach dem Aufstieg Konstantins nach und nach an Bedeutung verlor, blieb die Stadt im 4. Jahrhundert ein wichtiger Ort spätantiker Politik. Der Bau des Heidentors – dem heutigen Wahrzeichen Carnuntums und der umliegenden Region – um die Mitte des 4. Jahrhunderts zeigt, dass man sich hier weiterhin als Teil der großen römischen Geschichte verstand. Es erinnert mit seiner monumentalen Formensprache an die Bauten Konstantins in Rom und Konstantinopel. 

Foto des gesamten Ausstellungsbereich der Sonderausstellung im Museum Carnuntinum. Am Boden sieht man die Projektion des ausgestellten römischen Helms.
© Wolfgang Artner

Ein Jubiläum mit Blick in die Zukunft

1700 Jahre Konzil von Nicäa – das ist weit mehr als nur eine Erinnerung an ein theologisches Treffen. Es erinnert an eine Zeit, in der sich das Römische Reich neu erfand: politisch, religiös, gesellschaftlich. Das Christentum wurde aus der Verfolgung herausgeführt und zur Leitidee des Reiches gemacht. Kaiser wurden zu Gottes Stellvertretern – und Orte wie Carnuntum zu Schauplätzen historischer Weichenstellungen. Im Jubiläumsjahr 2025 lohnt es sich also, nicht nur nach Nicäa zu blicken, sondern auch nach Carnuntum – an einen Ort, an dem Politik und Glaube ein neues Kapitel römischer Geschichte aufschlugen. Denn hier, an der Donaugrenze, begann ein Kapitel, das Europa bis heute prägt.

Die am 6. Juni eröffnete Sonderausstellung „1700 Jahre Konzil von Nicäa: Glaubenswelt und Politik der Spätantike“ eröffnet Einblicke in die bewegte Zeit des frühen Christentums und bietet nie zuvor der Öffentlichkeit präsentierte Funde, welche herausragende Glanzstücke römischer Handwerkskunst darstellen. 

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