Schilde für Roms Legionen: die Fabrica Scutaria Carnuntums
Ein Beitrag von Nisa Iduna Kirchengast - Redaktion: Daniel Kunc, Thomas MauerhoferOhne den Schild lief in der römischen Armee nichts – er war das zentrale Verteidigungsmittel der Legionäre, diente im Nahkampf als aktive Waffe und war darüber hinaus Ausdruck römischer Ordnung, Disziplin und militärischer Identität. Bereits ab dem 1. Jahrhundert v. Chr. verwendeten römische Soldaten ovale Schilde, ehe im frühen Kaiserreich das rechteckige scutum zum dominierenden Schildtypus avancierte.
Diese Schilde bestanden aus mehreren verleimten Sperrholzlagen und konnten ein Gewicht von bis zu zehn Kilogramm erreichen. Die Vorderseite war in der Regel farbig bemalt oder mit Leder, Filz und Stoff bespannt. Ein umlaufender Metallrahmen diente nicht nur der Verstärkung, sondern sorgte auch für eine gleichmäßige Oberfläche für diverse dekorative Elemente.
Farben und Symbolik
Während spätrömische Schilde des 3. und 4. Jahrhunderts n. Chr. häufig in kräftigen Grundfarben wie Rot oder Blau gestaltet waren, zeigen Darstellungen aus dem 1. Jahrhundert vornehmlich Weiß-, Gelb- oder Cremetöne. Die Schildfarbe war jedoch weit mehr als reine Zier – sie hatte symbolische und psychologische Funktion: Besonders häufig findet sich ein leuchtendes Karmesinrot, das nicht nur furchteinflößend wirken sollte, sondern auch Stärke, Macht und den Kriegsgott Mars verkörperte.
Schilde der LEGIO XV APOLLINARIS COHORS I und der LEGIO XXI RAPAX beim Römerfest in Carnuntum - © Römerstadt Carnuntum
Verzierungen in Form von goldfarbenen Blitzen, Flügeln oder Legionsemblemen individualisierten die Schilde und signalisierten zugleich die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Einheit – eine visuelle Uniformierung mit gezieltem Einschüchterungseffekt. Ein metallener Schildbuckel (umbo) schützte zusätzlich die Hand des Trägers. Ab dem 3. Jahrhundert kehrte der Ovalschild bei der Infanterie erneut in Gebrauch, während die Kavallerie kleinere runde, rundovale oder auch sechseckige Schildformen bevorzugte.
Das scutum war somit weit mehr als ein rein defensives Objekt: Es fungierte als Erkennungszeichen, Medium militärischer Kommunikation und Träger imperialer Symbolik. Seine Form war ideal für geschlossene Gefechtsformationen geeignet, seine Oberfläche bot Raum für farbige Embleme und religiöse Motive.
Hinweise auf eine Schildwerkstatt in Carnuntum
Für das 4. Jahrhundert n. Chr. lassen sich Hinweise auf eine staatliche Schildwerkstatt (fabrica scutaria) in Carnuntum fassen. Belegt wird diese Einrichtung in der Notitia dignitatum, einem spätrömischen Staatshandbuch, das um 400 n. Chr. die zivilen und militärischen Strukturen des Reiches dokumentiert. Dort wird neben dem Kommando über die Donauflotte (praefectus classis Histricae) auch die Carnutensis scutaria aufgeführt (Not. dign. occ. 9, 20; 34, 28). Weitere Werkstätten werden nach der schriftlichen Überlieferung in den Legionslagern von Lauriacum, dem heutigen Enns in Oberösterreich, sowie in Aquincum, dem heutigen Budapest, verortet.
Erwähnung der Carnutensis scutaria in der Notitia Dignitatum, der Abschrift eines spätantiken Staatshandbuches (Bayerische Staatsbibliothek München, um 1542, Blatt 141 Nr. 284, 285)
Archäologisch lässt sich diese Werkstatt bislang nicht eindeutig lokalisieren. Doch es sprechen zahlreiche Indizien bei Ausgrabungen in den Jahren 1968–1977 für ihre Existenz. In der östlichen praetentura, dem vorderen Abschnitt des Legionslagers, wurden acht rundliche Beckenanlagen entlang der via sagularis freigelegt. Heute wäre diese auf Höhe der Landstraße zwischen Petronell-Carnuntum und Bad Deutsch-Altenburg, westlich des Amphitheaters der Militärstadt.
Die etwa 1,2 m großen Becken aus luftgetrockneten Lehmziegeln mit wasserfester Innenauskleidung weisen keine Spuren von Feuer, jedoch deutliche Hinweise auf wasserintensive Arbeitsprozesse auf. Diese Anlagen waren offenbar in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts als Gerbbecken in Gebrauch und dienten der Deckung des erhöhten Lederbedarfs durch die örtliche Schildproduktion.
Einer der beiden von Maximilian von Groller-Mildensee freigelegten Rundbauten (Gerberbecken?) im Legionslager Carnuntum (Groller, 1905 Abb.50b)
Vergleichbare Anlagen sind aus römischen Gerbereien bekannt – etwa in Pompeji, Ostia oder Virunum. Auch ethnografische Parallelen, wie etwa zu traditionellen Gerbereien in Marokko, legen nahe, dass es sich bei den Becken um Einrichtungen zum Einweichen, Entfleischen und Färben von Leder handelt. Leder wiederum war ein zentrales Material für die militärische Ausrüstung: für Schildbespannungen ebenso wie für Zelte, Riemen und Schuhe. Eine Gerberei wäre somit eine logische Ergänzung zur Produktion von Schilden.
Es liegt daher nahe, diese Anlagen mit der in der Notitia dignitatum erwähnten staatlichen Schildfabrik in Verbindung zu bringen, die vermutlich unter Kaiser Diokletian (284–305 n. Chr.) in Carnuntum eingerichtet wurde und fortan den Waffenbedarf der Provinz Pannonia prima deckte.
Die Grabstele des Lucius Lucceius Blaesus im Lapidarium des Museum Carnuntinum. Die Stele zeigt im Zwischenfries eine Darstellung verschieden geformter Schilde, die auf seine militärische Laufbahn und die Vielfalt der römischen Heeresausrüstung verweisen - © Römerstadt Carnuntum
Zentrum spätantiker Rüstungsproduktion
Carnuntum zählt somit zu den wenigen Fundplätzen, an denen sich archäologisch Einrichtungen im Umfeld einer historisch bezeugten, spätantiken fabrica fassen lassen. Die eigentliche Schildfabrik wird im mittleren Lagerbereich nordöstlich des praetorium vermutet. Dort fanden sich Spuren handwerklicher Tätigkeit – etwa Bronzeabfälle, Geweihreste und Schleuderkugeln. Auch wenn diese Funde nicht zweifelsfrei der fabrica scutaria zugeordnet werden können, ergibt sich im Zusammenspiel archäologischer Befunde, baulicher Strukturen und schriftlicher Überlieferung ein stimmiges Gesamtbild: Carnuntum war in der Spätantike nicht nur ein militärischer Standort, sondern auch ein bedeutendes Zentrum der römischen Rüstungsproduktion.
Veranstaltungstipp
Am ersten Maiwochenende erwachen die Bewohner Carnuntums wieder zum Leben: Unter dem Thema "Handwerker für Roms Legionen" verkörpern Kulturvermittler der Römerstadt historische Bewohner des antiken Carnuntums und erzählen vom Handwerk rund um die Schildwerkstatt und dem Leben in der Metropole am Donaulimes.