Para bellum – Carnuntum als militärisches Zentrum am Donaulimes
Ein Beitrag von Nisa Iduna Kirchengast - Redaktion: Daniel Kunc, Thomas MauerhoferHeutzutage sind Berichte über Kriegsgeschehnisse in Europa und anderen Teilen der Welt fast alltäglich. Schon in der Antike spielte das Militär eine zentrale Rolle im Alltag, besonders in den Grenzregionen des Römischen Reiches. Ein herausragendes Beispiel für die enge Verbindung zwischen militärischer Präsenz und blühendem zivilen Leben ist Carnuntum. Die Geschichte des römischen Siedlungsplatzes begann mit einem militärischen Feldzug: Im Jahr 6 n. Chr. entsandte Kaiser Augustus seinen Adoptivsohn Tiberius, den späteren Kaiser, in die Region, um das Römische Reich jenseits von Rhein und Donau auszudehnen.
„a Carnunto, qui locus Norici regni proximus ab hac parte erat, exercitum, qui in Illyrico merebat, ducere in Marcomannos orsus est.“
Parade durch das Römische Stadtviertel beim Römerfest 2023 - © Maisblau
Tiberius kam vermutlich mit sechs Legionen an die Donau, um den Stamm der Markomannen zu besiegen, und errichtete ein Winterlager im Gebiet zwischen dem heutigen Bad Deutsch-Altenburg und Devin. Nach der Niederlage im Teutoburger Wald gegen Varus im Jahr 9 n. Chr. entwickelte sich Carnuntum zu einem Grenzstützpunkt am Donaulimes. Unter Kaiser Claudius (41–54 n. Chr.) wurde die 15. Legion (Legio XV Apollinaris) aus dem südlichen Pannonien hierher verlegt, um sowohl den Donauübergang als auch die Bernsteinstraße zu sichern. Aus dieser Zeit stammt auch die erste Bauinschrift des Legionslagers, die heute jedoch als verschollen gilt:
[Ti(berio) Claudio Caesa]ri Augus[to Germanico pont(ifici)
max(imo)] / [trib(unicia) pot(estate) XI i]mper(atori) XXVII [patri
patriae co(n)s(uli) V] / [cur(ante) Messal]la Vipstano Gallo
[legato Augusti / pr(o) pr(aetore) et] C(aio) Rutilio Ga[llic]o
[legato Augusti leg(ionis) XV Apol(linaris)]
„Dem Kaiser Claudius (volle Kaisertitulatur) hat die 15. Legion unter dem Statthalter Messalla Vipstanus Gallus und dem Legionslegaten Caius Rutilius Gallicus dies errichtet.“ (CIL III 459)
Römische Legionäre am Römerfest 2023 - © T. Mauerhofer
Neben der 15. Legion waren auch die 10. Legion (Legio X Gemina Pia Fidelis) und die 22. Legion (Legio XXII Primigenia) in Carnuntum stationiert. Zu Beginn des 2. Jahrhunderts n. Chr. wurde die 14. Legion (Gemina Martia Victrix) dauerhaft in Carnuntum stationiert, wo sie bis zum Ende der römischen Zeit verblieb. Eine Legion umfasste etwa 5.500 bis 6.000 Soldaten, die in 10 Untereinheiten (Kohorten) organisiert waren. Jeder Kohorte waren Hilfstruppen (Auxilia) zugeordnet, die aus Nicht-Bürgern des Römischen Reiches rekrutiert wurden. Nach 25 Dienstjahren erhielten diese Soldaten das römische Bürgerrecht, was ihnen und ihren Nachkommen bedeutende Privilegien einbrachte.
Virtuelle Rekonstruktion des antiken Siedlungsgebietes von Carnuntum (Westen - Zivilstadt, Osten - Militärstadt mit Legionslager, Auxiliarkastell und Canabae legionis) - © 7reasons
Die militärischen Anlagen
Die römischen Militärbauten in Carnuntum erstreckten sich über mehrere Anlagen, die heute von Bad Deutsch-Altenburg bis zur östlichen Gemeindegrenze von Petronell-Carnuntum reichen. Das Legionslager, strategisch am Hochufer der damals noch unregulierten Donau gelegen, bildete das militärische Zentrum. Der erste Lagerbau entstand bereits Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. als Holz-Erde-Konstruktion und umfasste wichtige Einrichtungen wie das Verwaltungszentrum, die Unterkunft des Legionskommandeurs, ein großes Lazarett (Valetudinarium) sowie das administrative und sakrale Zentrum (Principia). Ab der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts wurden diese Holzbauten durch Stein ersetzt. Anfang des 3. Jahrhunderts und erneut um die Wende zum 4. Jahrhundert wurden die Kasernen umfassend neu gebaut.
Um die Mitte des 4. Jahrhunderts wurde das Lager möglicherweise durch ein Erdbeben zerstört und unter Kaiser Valentinian I. (364–375 n. Chr.) wieder aufgebaut. Weitere Umbauten erfolgten Ende des 4. oder Anfang des 5. Jahrhunderts n. Chr. Das Lager erstreckte sich über etwa 18 Hektar, war von einer unregelmäßigen Mauer und einem Grabensystem umgeben und bot Platz für rund 5.000 bis 6.000 Soldaten.
Virtuelle Rekonstruktion des antiken Legionslagers mit Amphitheater der Militärstadt, Ansicht von Osten - © 7reasons
Östlich des Lagers befand sich ein Amphitheater (das heutige Amphitheater der Militärstadt), westlich der Palast des Provinzstatthalters mit den kürzlich entdeckten Kasernen der Stadthaltergarde. Heute sind keine sichtbaren Mauerreste mehr zu erkennen, da die Fläche landwirtschaftlich genutzt wird. Dennoch wurde das Gelände bereits vor dem Ersten Weltkrieg intensiv erforscht, wobei etwa 70 % freigelegt wurden. Rund um das Lager, direkt auf militärischem Boden, befand sich die Canabae Legionis, die Lagervorstadt, in der sich Familien von Soldaten, Händler und Handwerker ansiedelten, um unter dem Schutz der Armee zu leben.
In unmittelbarer Nähe zum Legionslager befand sich das Auxiliarkastell, ein Lager für eine etwa 500 Mann starke Reitereinheit die als Hilfstruppe diente. Ursprünglich als Holz-Erde-Konstruktion in flavischer Zeit (69–96 n. Chr.) erbaut, wurde das Lager im frühen 2. Jahrhundert in Stein neu errichtet. Das Kastell, das 178 x 205 Meter maß, war Standort der Ala I Thracum Victrix, welche vorher vermutlich in Augustianis/Traismauer stationiert war, wie Funde von Pferde- und Maultierskeletten belegen. Es durchlief vier Bauphasen und diente ab dem späten 2. Jahrhundert zeitweise als Versorgungs- und Nachschublager. Das Kastell, das in den 1970er Jahren entdeckt wurde, blieb bis Mitte des 3. Jahrhunderts in Nutzung. Teile des Kastellbades bestanden noch bis ins 4. Jahrhundert und wurden vermutlich durch ein Erdbeben zerstört.
Geophysikalische Messungen auf dem antiken Siedlungsgebiet Carnuntums - © 7reasons
Durch geomagnetische Messungen konnten weitere 20 temporäre römische Militärlager nachgewiesen werden, die vermutlich während militärischer Kampagnen genutzt wurden. Die Ausgrabungen in Carnuntum, insbesondere in den Militärlagern, bieten wertvolle Einblicke in das Leben der Legionäre und die Infrastruktur, die für die Stationierung und Versorgung tausender Soldaten an der Grenze des Römischen Reiches erforderlich war. Die Funde aus diesen Militärlagern, darunter zahlreiche wertvolle Artefakte, sind eindrucksvolle Zeugnisse der römischen Militärmacht und ihrer Präsenz in der Provinz Pannonien als strategisches Zentrum. Viele davon sind in der aktuellen Ausstellung, „Weltstadt am Donaulimes“ im Museum Carnuntinum zu sehen.
Carnuntum zählt zu den bedeutendsten Militärstandorten an der Nordgrenze des Römischen Reiches. Über einen Zeitraum von rund 400 Jahren prägten Legionen, Hilfstruppen, Flotteneinheiten und die Statthaltergarde das militärische, politische und wirtschaftliche Leben dieser römischen Metropole an der mittleren Donau. Die strategisch günstige Lage – in unmittelbarer Nähe zur Bernsteinstraße, zur Donau und an der Schnittstelle zwischen dem pannonischen Binnenraum und den germanischen Stammesgebieten – machte Carnuntum zu einem zentralen Pfeiler der Grenzsicherung im Osten des Imperiums.
Event-Tipp:
Am 6. und 7. September steigt das größte Römerfest Österreichs hier in Carnuntum. Nach der letztjährigen wetterbedingten Absage ist das Römerfest 2025 größer und beeindruckender zurück als jemals zuvor!
Über 300 Reenactor, erstmals aus allen Epochen der römischen Antike, verwandeln das Römische Stadtviertel und die umliegende Parkanlage in das Zentrum der römischen Welt. Kaiser, Legionäre, Gladiatoren, Händler – sie alle tragen dazu bei, dass ihr direkt in die Vergangenheit eintauchen könnt.